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Was war. Was wird.

Mancher sehnt sich nach mehr Anerkennung, im persönlichen oder ökonomischen Sinne. Aber wer hat sie wirklich verdient?, fragt sich Hal Faber.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Ich habe beschlossen, heute den Muttertag zu ignorieren. Denn wie heißt es so schön von gestandenen, gar gefederten Journalisten? "Der Computer ist seine Nabelschnur zu Bild und der Welt." Wer braucht da noch Mütter? Doch wer bin ich, dass ich dies auch den Leserinnen und Lesern zumuten kann? Ich, einer der vielen Störche am Laptop, so unscheinbar, dass ich anmieten müsste. Andere Iche sind größer und belesener. Oh, zeigt mir den Weg zum Troll-Mietservice, wo sich die Iche nur so tummeln.

*** Manchmal braucht das Ich keinen Mietservice, sondern einfach nur einen kleinen Knuff der Anerkennung, einen Klapps auf die Schulter. Nehmen wir nur Hans Reiser und seinen Vorschlag, in der Open Source die Namen der beitragenden Entwickler etwas höher zu hängen als bisher, ein Vorschlag, der Kommentatoren zum Spötteln über die Egos mancher Programmierer brachte. Die Medaille hat wie üblich drei Seiten, wenn die Knüffe zu Püffen werden und unversehens eine nette Keilerei entsteht. Geschehen in der letzten Woche zu Brüssel, jedenfalls nach der Darstellung eines bekannten quelloffenen Ich, das sich aufs Hörensagen beruft. Die prompte Antwort des beschuldigten Ichs spricht Bände, führt den harten Geschäftssinn gegen den idealistischen Evangelismus ins Felde. Doch wer steckt hinter einer Organisation, die vor einem Jahr auf dem Cocktailempfang einer Finanzzeitung gegründet wurde und keine offenen Mitgliedschaften außer einer zu kennen scheint? Es werden noch viele Songs zu diesem Thema gerappt, und viele Püffe verteilt, da bin ich mir sicher.

*** Mit den Namen und der mit ihnen verbundenen Anerkennung haben nicht nur einzelne große und kleine Programmierer ihre Mühe, sondern auch ganze Firmen. wie das Beispiel von Atari zeigt. Nun hat nicht nur Atari Potenzial, auch Commodore kann mit Windows XP ein Plätzchen sichern. Und, weil "War Games" etwas vorzeitig in der kommenden Woche im Fernsehen läuft, sollte der neue IMSAI auch nicht fehlen. Doch nicht alle Namen werden aus der Mottenkiste der frühen Computerei gezerrt. TinkerToys und Pivot sind für immer von uns gegangen, mit ihrem Vater George Morris, dem Bricoleur und Sammler alter Meister.

*** Wir kennen das Hornberger Schießen. Doch was ist mit der Kronberger Erklärung? Keine Peilung? Aber bitte, das wichtigste Dokument der frisch fusionierten deutschen Internetwirtschaft bekräftigte in dieser Woche nachdrücklich, dass das Internet der wichtigste Motor der deutschen Wirtschaft ist, wenn denn erst einmal die "unvernünftige Party-Euphorie der New Economy" verflogen ist. Leider zeigt die Kronberger Erklärung zum Thema ASP, das man noch auf der Party ist. Oder, um es mit den Hornberger Schützen zu sagen: Die Wirtschaft wird mit Pulver, nicht mit Leadership und Spirit angekurbelt. Immerhin, die amerikanisch inspirierte Expertenhilfe für Politiker, die Wahlen gewinnen wollen, die hat was. Auch wenn Microsoft mal wieder zeigt, wie man es richtig macht.

*** Alles macht Microsoft indes nicht richtig, sonst wäre nicht 2 200 000 000 000 die bignum der Woche, sondern 9 000 000 000. In Dollar ist das der neue Etat der amerikanischen Homeland Security, nachdem die ersten 100 Tage vorüber sind. Sichere Pässe sind das nächste Ziel. Nun also Microsoft und jener pakistanische Computerspezialist Faisal Rauf Danka, der eine Lücke bei den Passport-Accounts fand, nachdem sein eigener Account wiederholt geknackt wurde. Er legte ihn an, um mit seiner Familie besser in Kontakt bleiben zu können.

*** Manches macht Microsoft erst im zweiten oder dritten Anlauf richtig. So bleibt die Neugier, was man mit dem Xeel, diesem von David Gelernter abgeschauten Lifestreams-Konzept des Jog-Dial anstellen wird. Am Ende mag etwas Richtiges heraus kommen, wie die Natural Keyboards dieser Firma. Wirklich, ohne jegliche Verschwörungstheorie. Weder im ersten noch im zweiten Anlauf ist die DRM-Philosophie von Microsoft überzeugend, wenn Sicherheit das Ziel der ganzen Sache ist. Dieses Thema ist in dieser Woche abgesoffen, weil Steve Jobs mit seiner Musike gezeigt hat, wer der bessere Marketier ist. Doch das Showdown kommt noch.

*** "Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist. Verschlinge, Flamme, auch die Schriften der Tucholsky und Ossietzky!" Gestern vor 70 Jahren wurden in Deutschland an vielen Orten Bücher verbrannt. Es waren nicht die ersten Bücherverbrennungen, wohl aber die Verbrennungen, die mit System durchgeführt wurden. Von einem System zeugt auch das Ritual der Erinnerung, im Verein mit einem wohl gepflegten Mahnmal, unter dem eine praktische Tiefgarage gebaut wird, wenn die die Festredner weg sind. Ist sie "wider den undeutschen Geist" oder nur ein schlichtes Zeichen, dass Bücherverbrennungen kein einmaliges, jedem Kontext enthobenes Ereignis sind? Eben etwas, das durchaus im Zeitalter des aufgeklärten Internet wieder kommen kann? Oder nie kommen muss, weil Filtern und Sperren doch etwas grundsätzlich und gänzlich anderes ist als das Zündeln bedruckter Seiten? Oder ist es erst dann wieder eine richtige Verbrennung, wenn das passende Papier zur Hand ist?

Was wird.

Die Woche beginnt mit einem Kongress zum verteilten Chaos, das in jeder besseren Organisation herrscht. Und natürlich endet sie ordentlich im zentralisierten Chaos bayerischer Provenienz, wenn nordamerikanische Mediascapes als vorbildlich bewundert werden. Ob Glossy oder Glassy, das spielt diskurstechnisch bekanntlich keine Rolle.

Achja, Songs. Das Nick-Hornby-Spielchen mit den Hitlisten hat auch anderswo angefangen. Mit der Nabelschnur am Computer hört es sich natürlich anders an. Bleiben wir nur bei Black Sabbath und ihrem feinfühlig-lyrischen Song "Computer God", denn schließlich läuft bei uns die neue Matrix an, in der Filmtricks nicht mehr von Garagentüftlern gemacht werden. Nein, heute brauchen sie mindestens gammelige Navy-Baraken, um die Fortsetzung zu einem Film zu drehen, dessen Charme aus der Quere kam. Zion ist die letzte Freie Stadt? Von wegen. (Hal Faber)/ (cp)